Reichen die Vermögensverhältnisse der Eltern nicht aus, Heim- und Pflegekosten zu tragen, werden oft die Kinder von dem jeweiligen Sozialhilfeträger in Anspruch genommen. Der zivilrechtliche Unterhalts- anspruch eines Sozialhilfeberechtigten geht nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bis
zur Höhe der geleisteten Aufwendungen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über. Unter gewissen Voraussetzungen entfällt nach § 1611 BGB die Unterhaltspflicht.
Ein Anspruchsübergang ist zudem nach § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII ausgeschlossen, wenn er eine unbillige Härte bedeuten würde.
In dem vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 15.09.2010 (Az.: XII ZR 148/09) entschiedenen Fall wandte sich ein Sohn gegen seine Unterhalts- verpflichtung gegenüber seiner Mutter. Er wandte ein, dass seine Mutter schon während seiner Kindheit an einer Psychose mit schizophrener Symptomatik und damit einhergehend an Antriebsschwäche und Wahnideen litt.
Sie habe ihn nur bis zur Trennung und Scheidung von ihrem damaligen Ehemann im Jahr 1973 – mit Unterbrechungen wegen zum Teil längerer stationärer Krankenhausaufenthalte – versorgt. Seit spätestens 1977 bestünde so gut wie kein Kontakt mehr zwischen ihm und seiner Mutter.
Gegen die Klage des Sozialhilfeträgers wandte er zum einen Verwirkung wegen verspäteter Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs und u. a. wegen Fehlverhaltens seiner Mutter ein. Da sie ihn als Kind nie gut behandelt habe, würde es zum anderen eine unbillige Härte bedeuten, wenn er gegenüber dem Sozialhilfeträger kraft Rechtsübergangs für den Unterhalt der Mutter aufkommen müsste.
Eine Verwirkung wegen verspäteter Geltendmachung scheiterte in diesem Fall bereits am nicht erfüllten Zeitmoment, wonach der Gläubiger seinen Anspruch nur dann verliert, wenn er sein Recht längere Zeit- mindestens ein Jahr – nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre.
Hier hatte sich die Behörde durchgängig um die Realisierung des auf sie übergangenen Unterhaltsanspruchs bemüht.
Weiterhin führte das Gericht aus, dass die psychische Erkrankung der Mutter, die dazu geführt hat, dass die Mutter ihrer früheren Unterhaltsverpflichtung ihm gegenüber nicht gerecht werden konnte, nicht als ein schuldhaftes Fehlverhalten im Sinne des § 1611 BGB mit der Konsequenz eines Anspruchsverlustes betrachtet werden könne.
Schließlich sah das Gericht auch keine unbillige Härte, die einem Übergang des Anspruchs entgegenstehen könnte. Wegen der vom Gesetz geforderten familiären Solidarität rechtfertigen die als schicksalsbedingt zu qualifizierende Krankheit der Mutter und deren Auswirkungen auf den Sohn es nicht, die Unterhaltslast dem Staat aufzubürden.
Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der Lebenssachverhalt auch soziale bzw. öffentliche Belange beinhaltet. Das ist u. a. der Fall, wenn ein erkennbarer Bezug zu einem Handeln des Staates vorliegt.
Dies bejahte der BGH z.B. in seiner Entscheidung vom 21.04.2004 (Az.: XII ZR 251/01). In dem damals entschiedenen Fall beruhte die psychische Erkrankung des unterhaltsberechtigten Elternteils und die damit einhergehende Unfähigkeit, sich um sein Kind zu kümmern, auf seinem Einsatz im zweiten Weltkrieg.
04.01.2011
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