Nach dem Motto „Freie Fahrt für freie Bürger“ wird die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen gerne überschritten. Schließlich hat man nicht umsonst einiges in einen leistungsstarken Motor investiert.
Kommt es allerdings zu einem Unfall, kann man sich nicht mehr auf dieses Motto berufen und wird zur Mithaftung herangezogen, wenn der Unfall bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit vermeidbar gewesen wäre. So sahen es auch die Richter am OLG Nürnberg in ihrer Entscheidung vom 09.09.2010 (Az.: 13 U 712/10):
Der Fahrer des Autos, in dem sich die spätere Klägerin befand, war unachtsam auf die Autobahn aufgefahren. Der Beklagte, der nach den Feststellungen mit mindestens 30 km/h über der Richtgeschwindigkeit auf der Autobahn unterwegs war, leitete zwar noch eine Bremsung ein, es kam allerdings zu einem Unfall.
Hätte der Beklagte die Richtgeschwindigkeit eingehalten, hätte er den Unfall nach gutachterlicher Feststellung mühelos vermeiden können. Das OLG sah deshalb eine Mithaftung für die Betriebsgefahr in Höhe von 25% (ähnlich: OLG Hamm in seinem Urteil vom 08.09.1999; Az.: 13 U 35/99, bei einer Überschreitung von 20 km/h).
Die Rechtsprechung leitet aus der Nichtbeachtung der Richtgeschwindig- keitsverordnung zwar keinen Schuldvorwurf ab. Bei der Auslegung des Begriffs des unabwendbaren Ereignisses berücksichtigt sie aber das dieser Empfehlung zugrunde liegende Erfahrungswissen, dass sich durch eine höhere Geschwindigkeit als 130 km/h die Unfallgefahren auf der Autobahn deutlich erhöhen.
Auf die Unabwendbarkeit eines Unfalls kann sich ein Kraftfahrer, der die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h überschritten hat, daher regelmäßig nicht berufen, es sei denn, er weist nach, dass der Unfall für ihn auch bei einer Geschwindigkeit von 130 km/h nicht zu vermeiden war und es somit auch bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit zu dem Unfall mit vergleichbar schweren Folgen gekommen wäre (so schon der BGH in seinem Urteil vom 17.03.1992; Az.: VI ZR 62/91).
Das gewichtige Verschulden auf Klägerseite ließe die Haftung der Beklagten aus Betriebsgefahr nicht vollständig zurücktreten, wenn diese durch eine erhebliche Überschreitung der Richtgeschwindigkeit deutlich erhöht sei.
Auch massives Verschulden eines Unfallgegners führe nicht zu einem „Freibrief“, zur Nachtzeit mit einem erheblich über der Richtgeschwindigkeit liegenden Tempo auf der Autobahn zu fahren und bei einem dann erfolgten Unfall jede Haftung von sich zu weisen, so die Richter in Ihrer Entscheidung.
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